600cc `79 Reparatur

  • Dieses Jahr ist es wohl endlich soweit, daß ich mich meinen Motoren widmen kann und stark darauf hoffen kann, daß ich das Dutzend über Winter durchreparieren bzw. montieren kann.
    Darunter auch ein Findling, der seit fünf Jahren unangetastet bei mir schlummert und auf Belebung wartet.
    Es handelt sich um einen 79er SR-Motor mit dem 600cc-Kit eines "Tuners", der in der Szene nicht den besten Ruf genießt. Die Standfestigkeit dieser gepimpten Aggregate ist nicht legendär. Erkennbar ist die Vergewaltigung an fetten Schlagbuchstaben mit dem zusätzlichen Hinweis 9/88 auf den Zeitpunkt der Freveltat.
    Für meine Alltags-SR scheint das aber einen Versuch wert zu sein, und da ich nix wegschmeißen kann, werde ich das Teil zum Leben erwecken.


    Als ich den Motor bekam, hatte er die übliche Patina. Das äußere Reinigen der überzogenen Aluminiumhaut ging relativ gut und auch nach 35 Jahren sieht der Lack vom Gehäuse noch erstaunlich gut aus. Das spricht entweder für wenig km oder wenig Schietwetterbetrieb und womöglich Garagenfahrzeug.


    Das Restöl, was aus dem Motor sprudelte, war mit 1,2l üppig und hatte wenig Umdrehungen gesehen, denn es war noch gülden. Ich werde es wieder einfüllen (nein, das ist natürlich ein Scherz!).


    Fangen wir mal oben an: nachdem das Kipphebelgehäuse demontiert war, offenbarten sich Chromkipphebel mit Elefantenfüßen, dem Markenzeichen des "Tuners". Dazu bearbeitete er die Kipphebel auf brutalste Weise, damit das Ganze auch paßte. Nockenwelle und Kipphebel sind oberflächlich ok, es sind ansonsten auf den ersten Blick keine groben Schäden erkennbar. Die Zentralschraube an der Nockenwelle ist schön fest und die 6005er machten auch noch einen ordentlichen Ersteindruck. Die Steuerkette war vernünftig gespannt und noch nicht zu lang, sie kann wohl weiter verwendet werden.


    Nun der Zylinderkopf, der mit Bigbore-Dichtung und wie das Kipphebelgehäuse mit der roten Pest versehen am Fuß auflag. Wenig Ablagerungen im Brennraum - das erfreute mich. Die Brennraumkalotte ist an die größere Bohrung angepaßt. Mit 9,2 war das Aggregat moderat verdichtet und ist garantiert kein Klingelkandidat, wenn das Gemisch stimmt. Die Ventile sind am oberen Ende dank der Elefantenfüße superglatt. Der Vergleich der Seriennummern ergab, daß Kopf und Gehäuse nicht matchen. Wahrscheinlich ist die Ursache der nachlässige Umgang beim "Tuner", der wohl auch mal Kundenteile durchgetauscht hat.


    Nach ich alles penibelst gereinigt hatte, ging die Messerei mit Mikrometer und so Zeuchs los. Wie so oft war das Kipphebelgehäuse bezüglich der Achslagerung ein hoffnungsloser Fall, mit 0.13 Übermaß am AV auch nicht mehr zu bemaden (ich halte eh nicht viel davon, wenn das Spiel größer 0.01 ist, weil zusehends Öl durch den Spalt abhaut und zum Schmieren nicht zur Verfügung steht). Die Kipphebel wiesen im Vergleich zu vielen anderen gemessenen schon einen großen Innendurchmesser auf, die Achsen waren entsprechend klein. So wie ich das sehe, muß der Motor ordentlich geklappert haben.


    Die Ventile waren im Durchmesser noch ok, könnten ggf. nochmal nitriert werden, muß aber nicht. Die AV-Führung ist mit 0.085 Spiel für mich eol, obwohl 0.1 erst die Verschleißgrenze ist. Fazit: der Kopf ist noch zu gebrauchen, zumal keine Rippe verbogen oder gebrochen ist und alle Gewinde iO sind. =)


    tbc


    XTheo

  • Ich will mir meinen 600er demnächst auch mal vornehmen und bin auf das Innenleben gespannt.
    Bei Fragen werde ich mich dann vertrauensvoll an dich wenden :)


    Gruß
    Karsten

  • Interessanter Bericht; würd gern mehr darüber lesen.


    Gibt es eigentlich haltbare 600er-Umbauten? Mit "haltbar" meine ich jetzt mehr als 10000 Kilometer ohne Reparaturen.


    Nobby

    ---------------------------------------------------------------------------------------------------


    Better Motörhead than dead!

  • Bilder kommen später bei der Montage, und fragen dürft ihr immer gerne.
    Ansonsten empfehle ich für Schadenfotos die Bilderserie vom Helmut, etwas Umfangreicheres ist mit z.Zt. nicht bekannt. Das macht er sehr detailliert und die Fotos sind echt gut.
    LG
    XTheo

  • gehen wir gemeinsam eine Etage abwärts und versammeln uns andächtig um den Zylinderfuß. Die Stehbolzen oben waren einigermaßen rostfrei, allerdings hatte ich wieder mal etwas Mühe mit den Paßbuchsen, weil nie auf korrekte Montage und v.a. später wieder demontierbare Teile geachtet wird (dazu später mehr).
    Die M6-Schrauben wurden, wie es sich gehört, zuerst entfernt und keine Auffälligkeiten entdeckt. Oft sind hier die oberen Gewindegänge schrott, weil zu kurze Schrauben drin waren oder statt mit 10 mit 100Nm angezogen wurde (ok, das war jetzt übertrieben, aber Ihr wißt schon...).
    Die Aluschrauben des Füßlings leisteten keinen abnormen Widerstand, und nach leichtem Ruckeln mit bloßer Handkraft OHNE Hammerunterstützung löste sich der Kerl schmatzend vom Gehäuse. Die Dichtung blieb in einem Stück artig auf dem Gehäuse =), dank der roten Schmatze. Auch hier wieder leichte Korrosion an den Paßbuchsen.
    Leider muß ich oft an Motoren massive Gewalt anwenden, um die Paßbuchsen ihren Sitzen zu entreißen. Gefühlt geht die Hälfte dabei drauf, denn verformtes Material kann ich hier nicht gebrauchen. Um das bei meinen Motoren zu vermeiden, schleife ich die Paßbuchsen leicht über und reinige akribisch die Bohrungen, bis die Dinger mit leichtem Schiebesitz flutschen. Zusätzlich spendiere ich Montagepaste QNB50.
    Saubere Aufbereitung der Teile und testweises Anpassen erleichtert rund um den Motor die Montage - immer! Leider ist diese Tugend nicht jedem gegeben.


    Zurück zum Fuß: die Steuerkette ist mit einem Schraubendreher gegen Durchfall gesichert, damit beim etwaigen Durchdrehen der KW beim Kolbenziehen kein Kettensalat entsteht und die Nase im Gehäuse oder anderes Schaden nimmt. Den Zylinder ziehe ich nur so weit nach oben, bis der Kobo zum Freigänger wird. Ein Tuch über dem Riesenloch des Gehäuses fängt im Zweifel den Clip, der gerne mal den Flip spielt.
    In diesem Fall ließ sich der Kobo mit beherztem Fingerdruck aus dem Mahle-Gußkörper schieben und Zylinder inkl. Kolben können zur Seite gestellt werden.


    So, jetzt erst mal wieder Vollreinigung und messen bei der Arbeit, wo u.a. Dreipunkt-Innenmeßschrauben auf rege Benutzung warten. Ich bevorzuge hier eigentlich das Zweipunktmeßgerät (z.B. Subito), weil man damit die Zylinderform besser messen kann. In drei bis fünf Ebenen über Kreuz vermessen ergab das mit dem Kolbenmaß ein max. Spiel von 0.11. Das ist schon ganz ordentlich, aber da es etwas low budget werden soll, verwende ich die Kombi weiter. 10.000 schafft die noch, und das sind 3-4 Jahre, weil ja andere Mopetten auch bewegt werden müssen. Deswegen mache ich mir auch nicht so viel Gedanken um Honspuren und Ringe und überprüfe das mit angemessenem Aufwand.


    Ansonsten ist der Fuß äußerlich ohne Blessuren. Die Wandstärke der Buchse ist mit 2.3mm eher als mickrig zu bezeichnen. Ich denke, vorsichtiges Warmfahren erhöht die Lebensdauer beträchtlich und könnte abplatzende Gußteile verhindern.
    Auffällig ist der üppige M10x1.25-Stehbolzen, der sich kerzenseitig durch den Fuß bohrt und an der Fußdichtung endet. Ich spendiere noch 2 M6-Zuganker, obwohl das nicht unbedingt not tut - ist eher Spieltrieb.
    Die Fotos dokumentieren den bereits bearbeiteten Zustand mit neuem Lack.


    Der Kolben ist an der Unterseite fast wie ab Werk, obendrauf etwas Koks und ohne auffällige Spuren am Hemd. Es ist der Std.-Rohling von Mahle, der gerne hergenommen wird und echt schwer ist.


    LG
    XTheo

  • ich hoffe eine eigene Rubrik animiert zu mehr
    schönen Berichten :)


    super geschrieben


    Gruß
    Frank

  • Danke Frank, damit baust du ja gleich wieder Druck auf. Aber mit der erhöhten Kompression werde ich schon fertig, ich verlängere einfach die Steuerzeiten, hihi.


    Hinsichtlich der Wandstärke des 600cc habe ich noch einmal die Beiträge zu dem 90mm-Kit gelesen. Das läßt nix Gutes von dieser Kombo erwarten. Aber wenn ich mit dem Schlimmsten rechne, trifft es mich wenigstens nicht so hart. 8)
    Wir stehen also jetzt am gähnenden Abgrund des Kurbelgehäuses und schauen ungläubig auf die fette 100mm-Bohrung, in deren Zentrum die alte, schwere Kurbelwelle bedächtig ruht und geduldig auf den nächsten Einsatz wartet.


    Aber vorher ist noch einiges zu erledigen, zunächst die flüchtige Inspektion der Bronzeschicht im topend. Das sah soweit alles gut aus, also erst einmal aufatmen. Die anschließende Messung ergab 20.028, ein guter Wert.


    Interessant ist der Rundlauf der Zapfen. Der Einfachheit halber schraube ich eine Stahlplatte an den Motor und darauf positioniere ich ein Magnetstativ, daß ich sowohl den Primärzapfen, der in dem Kupplungsdeckel steckt, wie auch den äußeren Rand des Limakegels mit einem Pupitast 0.01 messen kann. Alles soweit ok, allerdings fällt mir auf, daß das Ende der KW massiv aufgepilzt ist, so daß noch nicht einmal eine Mutter darüber paßt.


    Das ist auch so eine ständig wiederkehrende Krankheit, weil beim KW auspressen (fast) nie fachmännisch und sachgerecht vorgegangen wird. Oft wird wohl brutal mit einem Hammer draufgewixt, das Ding muß doch irgendwann mal rausgehen...? Dadurch ist die Zentrierbohrung im A..., die man evtl. mal brauchen könnte, in diesem Fall aber nicht. Den Pilzaufwurf kann man mit einer Feile ambulant zurechtstutzen. Da die Hauptlager beim seeehr langsamen Durchdrehen nicht zögern und das Axialspiel fast nicht spürbar ist, bleibt der Kurbeltrieb zunächst unangetastet, wenn nicht das Getriebe....
    Man könnte noch darüber sinnieren, den Schleuderölfilter zu reinigen.


    Der Limadeckel soll nicht unerwähnt bleiben, der war innen recht braun. Die Lima war zwar nicht dabei, ich lasse mich dennoch zu der wagemutigen Behauptung hinreißen, daß da Wasser im Spiel (oder im Deckel) war.


    Im nächsten Kapitel wenden wir uns dann der Schokoladenseite zu, die mit dem Kupplungsdeckel verziert ist. Bisher war es ja soweit harmlos.


    LG
    XTheo

  • Mir ist da noch etwas zur Kurbelwelle eingefallen. Wir reden ja hier über etwa 80g mehr Kolbenmasse, wenn ich die Daten so richtig im Kopf habe. Sorry, werde wie andere auch langsam alt und senil.
    Also, normalerweise paßt man den Wuchtfaktor der Kurbelwelle an den neuen Kolben an (oder den Kolben an den Wuchtfaktor, wenn auch das geht). Da gibt es mannigfaltige Möglichkeiten, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte.
    Fakt ist, daß diese Kurbelwelle nicht angepaßt wurde, was aber kein Riesenbeinbruch ist. Bisher habe ich in einem ähnlichen Motor nach fast 100.000km keine negativen Auswirkungen feststellen können, und wenn da Vibrationen waren, dann habe ich sie nicht bemerkt oder feste ignoriert.
    Zudem handelt es sich im vorliegenden Fall um die schwere Welle, die einen höheren Gleichförmigkeitsgrad als die leichte hat und das evtl. etwas wegbügelt.
    In der Regel passe ich bei meinen gepimpten Motoren den Wuchtfaktor an, hier will ich es aber nicht übertreiben. Ich meine, daß es in diesem Fall einfach nicht lohnt.


    Anbei noch ein Bild der "bösen" Kipphebel, die mit Standardfedern und -nockenwellen auch sehr, sehr lange halten können. Bei mir haben sie es jedenfalls.
    Man erkennt deutlich im Bereich der Einstellschrauben die abgefrästen Stellen, die den Kipphebel schwächen. Der Platz wird für die riesigen Elefantenfüße gebraucht.
    Die Idee ist nicht schlecht, was die Schonung der Schaftenden angeht, aber die Ausführung finde ich mäßig. Hiha würde jetzt evtl. noch zu Recht anmerken, daß die Rotation des Ventils durch Flachkugelanwendung erschwert wird.
    Wer schon einmal mit Tuschierpaste ein Bewegungsbild der Einstellschraube auf dem Ventilende erzeugt hat, der weiß, daß die Berührungsgerade außermittig liegt.


    Eigentlich wollte ich was anderes schreiben - na, vielleicht später...

  • Ein echt toller Thread, da kann man als motorbegeisterter Mitleser echt was lernen (selbst wenn ich in dem Metier beruflich zu tun habe).


    Danke Theo, bitte berichte weiter, echt super Sache!

  • Ich darf die Massen auffordern, das Getriebegehäuse zu verlassen und wir treffen uns in Fahrtrichtung rechts, wo ein großer Gußdeckel den Blick auf das Innere verwehrt.
    Schon beim Lösen der vielen Inbusschrauben fühlt der geübte Schrauber, daß da etwas nicht so ist, wie es sein soll. Die oberen Schrauben für den Ölfilterdeckel sind zu kurz, die untere fehlt und bei einigen anderen fällt das Rausdrehen schwerer als angenommen. Seufzend und mit böser Vorahnung entferne ich die gerollten Schraublinge und versuche mich am Deckel.


    Der hält sich gut am Gehäuse fest und gibt nicht nach. Zwei Klingen vom Tapetenmesser, die genau mittig in der Dichtung positioniert und gegenüberliegend am Deckel verteilt sind, helfen in Verbindung mit einem 100g-Hämmerchen diese intensive Beziehung zu trennen. Der Deckel kann runter.


    Erster Blick: alle Teile vorhanden, Kickerausrückblech iO, Anlaufscheibe auf der Kickerwelle ist da, etwas Schlamm und Restöl, keine Fremdkörper in Ölwannennähe. Soweit alles gut, aber von den vielen M6-Gewinden sind einige beschädigt und schon mit Helicoil ausgebessert. Das aber tlw. dilettantisch, was die Schwergängigkeit der Schrauben erklärt.


    Selten habe ich mal ein Gewinde an dieser Stelle reparieren müssen, bei über fuffzig Motoren höchstens 10x. Deswegen packt mich das Grauen, als ich dieses Gewindemassaker entdecke.


    Das Entfernen der Drahtwendeln ist oft ein blöder Job, hier kommt man aber gut heran. Die Gewinde werden penibel gereinigt und noch einmal mit dem Heli-Gewindebohrer nachgeschnitten. Die Bohrungen reinige ich mit Wattestäbchen, die in Ace getränkt sind. Die neuen Einsätze setzten wir mit Loctite 242 mittel ein.


    Schauen wir uns den Boden des Gehäuses an. Feinster Schlamm ziert den Aluguss, der aber nicht besorgniserregend ist. Das Gehäuse ist im Großen und Ganzen von innen erstaunlich sauber und hat nicht diesen festgebrannten braunen Ölnebel. Ich bin nicht sicher, ob dieser braune Belag von Blow-by an den Kolbenringen oder von zu langen Ölwechselintervallen stammt. der belag läßt sich mit Waschbenzin oder Ace entfernen. Ich mag`s auch innen schön!


    In den Sicken des Gehäuses entfernen wir die feinen Sedimente vergangener Aktivitäten, und schon bald sieht die Getriebeseite ganz manierlich aus.
    Zwischendurch reinige ich gerne mal den Patienten von Arbeitsspuren und im gleichen zug auch den Werkzeugtisch. Das hat sich bewährt, weil man Unnützes entsorgen kann (Späne, Lappen, defekte Teile, nicht benötigtes Werkzeug usw.) und den Überblick behält.


    Auf diesem sauberen Spielfeld verteilen wir uns gleichmäßig und schrauben die Kupplung runter. Wenn die zentrale Mutter sehr leicht zu lösen ist, sollten wir skeptisch werden (s. Thema Verlustscheibe). Am inneren Kupplungskorb die sechs Pfeifen kontrollieren, ansonsten ist an der Kupplung kein großes Geheimnis dran. Allenfalls die Lamellenscheiben bedürfen einer flüchtigen Betrachtung, ob sie verfärbt sind. Kömmt aber selten vor.


    Der Kupplungsdeckel ist im Bereich der Kupplung von innen geschweißt, wahrscheinlich ein Umfallschaden. Soll uns nicht stören, solange es dicht ist. Das Labyrinth um den Ölfilter wird mit Wattestäbchen gereinigt, damit gelangt man auch in die hintersten Ecken und in die Ölkanäle!


    Der Wedi für die Kurbelwelle wird bei mir immer erneuert, v.a. bei Motoren mit unbekannter Laufleistung. Generell empfiehlt es sich, an schwer zugänglichen Stellen vorbeugend zu ersetzen/reparieren, z.B. KW-Wedi, Ölpumpenwedis, Schaltwellenwedi, usw. Das gilt auch für Lager, sonstige Dichtungen, etc. Oft kosten die Teile nicht viel, der Aufwand hält sich in Grenzen, aber der Gewinn kann riesig sein. Ich denke hier v.a. an die Dichtungen für Ölpumpe und Kurbelwelle. Auch das penible Reinigen zahlt sich mMn aus.


    Bei näherer Inspektion entdecken wir einen Helicoil-Einsatz für die untere Ölfilterschraube. das identifizieren wir sofort als Schwachstelle. Der Einsatz wurde von innen gesetzt und deshalb ist das Gewinde auch von innen geschnitten --> ca. M7. Was passiert? Die Ölfilterschraube kann die Ablaufbohrung nicht mehr sachgerecht verschließen und der Öldruck baut sich über den Bypass zT ab.


    Es war ätzend, aus der Tiefe der Bohrung den Einsatz zu entfernen, das hat lange gedauert. Die Reparatur sieht aus wie folgt:


    An der Ständerbohrmaschine ein 6.5er Loch zentrisch von außen in das Schraubenloch bohren. Den Deckel umdrehen und mit einem dreiteiligen M8-Bohrer ein Gewinde bis zum glatten Durchmesser schneiden. Zunächst mit der ersten Stufe, weil ein Teil des Gehäuses das zentrische Ansetzen eine Vollschneiders erschweren kann. Nachdem alle 3 Stufen geschnitten sind, wird die Bohrung mit Ace entfettet und die Gewindetiefe ermittelt.


    Aus Aluvollmaterial drehen wir uns geschwind eine M8-Gewindestange mit Kernbohrung, sagen wir mal Durchmesser 4.5. Entsprechend der Gewindetiefe stechen wir den Burschen auf Länge ab und sägen einseitig einen Schlitz hinein.


    Nach der Acetonbehandlung folgt gefühlvolles Bestreichen mit Loctite 638. Mithilfe des Schlitzes läßt sich der Aluinsert willig in seine Lage schrauben.
    ich lasse es einen Tag abbinden, denn eilig habe ich es nicht. Jetzt nur noch ein Fünfer-Kernloch, M6 geschnitten und das Ablaufloch wieder freibohren, fertig ist die Reparatur.


    Das Ersetzen des KW-Wedis ist Formsache und muß nicht weiter beschrieben werden. Damit ist der Kupplungsdeckel wieder verwendbar.


    tbc

  • Mmmh,


    toller Fred, :314: für deine Mühe.


    Die Ablaufbohrung ist doch eigendlich nicht notwendig, gibt doch eh XX auf dem Gehäuse beim wechseln. :411:
    Aber: mit welchem Trick (Werkzeug) bist du dahin gekommen, oder hast du die vorher in den Gewindeeinsatz reingebohrt ? ?(


    Gruß
    Peter

  • Hi Xtheo


    Klappt das mit dem M6 in M8 schneiden?


    Das M8 hat einen Kerndurchmesser von 6,5mm. Da hast du ja nach dem Gewindeschneiden nur noch 0,25 Wandstärke.


    Ich nehme an das ist der Unterschied zwischen Theo( rie) :) und Praxis.


    Karsten

  • @ srpedro: stimmt, die Ablaufbohrung ist nicht notwendig, aber man kann sich die Sauerei beim Filterwechsel zum Teil ersparen. Die Ablaufbohrung ist schräg gebohrt, deshalb ist das kein Problem.
    Und danke für das Lob! Auch an die anderen!


    @ karsten
    ja, M6 in M8 geht. Zusätzlich zum Kerndurchmesser stabilisieren die Flanken den Insert. Und eingeklebt ist es auch noch. Und mehr als 10Nm sollten da eh nicht dran reißen, gelle.
    Ich werde auch gleich einen weiteren Deckel reparieren, wenn ich schon dabei bin. Es sind ja noch einige Motoren zu schrauben.


    LG
    XTheo

  • Nach der Reparatur des Ölfiltergewindes im Kupplungsdeckel folgt eine Probemontage des Ölfilterdeckels - paßt. Der Deckel wird jetzt wieder mit Wedi und neuem Kugelventil bestückt und ist bereit zum "Covern".


    Wie bei allen Motoren verdient die Ölpumpe etwas Aufmerksamkeit. Neben der Inspektion der Rotoren wechseln wir natürlich noch schnell die beiden Dichtringe, damit der Schmiersaft nicht unnütz durch ausgelutschte Lippen abhaut. Dichtende Lippen sind immer gut!


    Ich nutze die Gelegenheit, die Kreuzschlitzschrauben rauszuschmeißen. Trotz des alten Gehäuses hat die Pumpe schon fünf Schrauben. =)
    Nach der Montage mit ganz viel Öl kontrolliere ich immer die Leichtgängigkeit der Pumpe. Wenn`s klemmt, es gibt da so ganz dünne Dichtungen...
    Beim Schraubenwechsel darauf achten, daß die beiden kurzen Schrauben nicht hinten aus dem Gehäuse schauen. Fragt mal den motorang nach dem Spaß damit.


    Das Schaltgetriebe probiere ich in allen Gängen durch, ob die Funktion einwandfrei ist. Dann folgt eine gründliche Wäsche des inneren Gehäuses, soweit ich reinkomme.


    Die Ölwanne wird lupenrein ausgewaschen, noch schnell ein Helicoil gesetzt, das Filtersieb gereinigt und auf die Ablaßschraube hefte ich innen immer einen zylindrischen Supermagnet aus Restbeständern meines Arbeitgebers


    Primärtrieb einbauen, KW-Mutter mit Loctite 242 sichern und Kupplung drauf, damit ist die rechte Seite bzw. das Getriebe fertig. Allerdings muß ich den Deckel noch offenlassen, weil die OT-Anzeige auf der Limaseite oft ungenau ist und das Blech am Primär in diesem Fall perfekt anzeigt. Das ist später wichtig zum genauen Eingraden der Nockenwelle.


    Fotos:
    mit montierten insert und Schraube
    Gewinde der Schraube im Ablaufloch
    Gesamtansicht mit neuem KW-Wedi und neuem Kugelventil
    Limadeckel innen




    tbc

  • Das Thema Zerlegen und Schadensmeldung ist soweit als abgeschlossen zu betrachten und wir können uns genussvoll der Montage hingeben.


    Aber vorher möchte ich einen Ausflug in das Thema "mechanische Hygiene" unternehmen.


    Egal, ob man einen Standardtriebling oder ein leistungsoptimiertes Aggregat aufbaut: Sauberkeit am Arbeitsplatz ist mMn Pflicht, wenn man von der Arbeit lange gut haben will. Es steckt gerade in modifizierten Motoren unendlich viel Arbeit, das können locker über hundert Stunden werden, wenn man alles berücksichtigt. Und oft auch eine Menge Geld. Deshalb lohnt es sich, ein paar Grundsätze zu beherzigen.
    Das gilt für den Arbeitstisch, die Werkzeuge und Vorrichtungen, Verbrauchsmaterial, die zu verbauenden Teile und auch das Fahrzeug, wo der Motor eingebaut werden soll.


    Fangen wir mit letzterem an. Ich verbringe viel Zeit damit, meine (neuen) Rahmen gründlich zu spülen und die Sedimente aus Jahrzehnten zu entfernen. Ist das einmal ordentlich gemacht und werden anschließend im Betrieb regelmäßige Ölwechsel durchgeführt, dann ist man auf der sicheren Seite und muß sich damit nicht mehr auseinandersetzen. Über Waschbenzin, lange Bürsten und auch Dampfstrahler gibt es ein großes Feld an Möglichkeiten, ein gutes Ergebnis zu erzielen. Das Filtersieb im Zentralrohr reinige ich immer gerne mit, außerdem erleichtert dessen Ausbau den Abfluß der ekligen Brühe.
    Das Ganze ist am einfachsten, wenn der Rahmen nackich ist - klar. s. mein Bericht über die `83er.


    Der Arbeitstisch: es muß keine klinische OP-Saal-Atmosphäre sein, die uns umgibt, aber eine gut abwischbare und stabile Unterlage mit ausreichend Ablagemöglichkeiten hat sich für mich als optimal herausgestellt. Ich arbeite gerne mit einem kleinen drehbaren Beistelltisch mit Unterregal und Gummibelag. Idealerweise hat unser Tisch eine Ölsicke oder einen erhöhten Rand - shit happens every day!


    Das Werkzeug zum Motorschrauben darf gerne sauber und frei von Kettenfett, Rost, Sandkörnern o.ä. sein. Was man gerade benötigt, liegt griffbereit. Der Rest bleibt im Werkzeugschrank. Wenn jemand allerdings künstlerische Anhäufungen liebt und sich damit persönlich besser entfalten kann, so mag er das tun. Das Kaufen oder Ausleihen von Sonderwerkzeugen ist in meinen Augen unumgänglich, z.B. Drehmomentschlüssel, Heißluftfön, Meßwerkzeuge, usw.


    Wenn wir einen Motor sachgerecht demontieren und montieren wollen, benötigen wir Vorichtungen: Motorständer, Polradabzieher, Trennwerkzeug Motorhälften, Kupplungshalter, Dorne zum Einsetzen von Wellendichtringen, Halter für Meßuhren, uvm.
    Einiges kann man kaufen, bei anderen Dingen muß man improvisieren. Beim Einsetzen von Wellendichtringen drehe ich mir aus Alu oder Kunststoff passende Dorne, ggf. mit Tiefenanschlag. Wer keine Drehbank hat, nimmt Vollmaterial oder passende runde Gegenstände mit rechtwinkliger ebener Stirnfläche.
    Der Einsatz von Vorrichtungen schont Motorteile wie KW-Enden, Zahnräder, Kugellager, u.a., und das beim Auseinander- und Zusammenbauen. Wer Kugellager mit einem Hammer brutal in ihrem Sitz versenkt, ist für mich ein Maschinenelementequäler. Einziehen oder Aufschrumpfen ist je nach Möglichkeit und Anforderungen der bessere Weg.
    Da ich öfter und schon lange an Motoren schraube, habe ich eine ganze Schublade voll mit Sondervorrichtungen nur für XT und SR500. Das spart Zeit und sichert gleichmäßige Qualität.


    Die Teile! Nicht alles, was wir neu kaufen, ist auch wirklich sauber. Auf unebenen Oberflächen, in Bohrungen oder an schwer zugänglichen Geometrien können Schleif- und Honrückstände, Späne, Strahlgut und andere Dinge heimtückisch lauern. Deswegen immer alles penibel mit Waschbenzin, Aceton o.ä. reinigen, bis man mit einem in Lösungsmittel getränkten weißen Lappen keine Rückstände mehr abwischen kann. Im Bild das Ergebnis einer nachgeschliffenen Nockenwelle, die ich äußerlich und in der Kernbohrung gerinigt habe. Das ist KEIN Abrieb vom Lagersitz- oder Nockenpolieren!
    Das Gleiche gilt für gehonte Zylinder, gefräste und geschliffene Ventile und Sitze, Führungen, Kipphebel, Achsen, usw.
    Ihr werdet staunen, wieviel feinster Dreck da oft drauf ist, der u.U. so fein ist, daß er durch den Ölfilter saust und wie eine Feile langsam an der Substanz der Motorteile nagt.
    Ausgebaute Teile v.a. aus dem Inneren des Motors pflege ich ölverschmiert in verschließbaren Beuteln zu lagern, die auch beschriftet werden können. So bleiben sie auch bei länger andauernden Reparaturen sauber und rostfrei. Erst kurz vor der Montage oder vor dem Vermessen/Befunden reinige ich sie.


    Viel genutztes Verbrauchsmaterial sind zu Lappen zerschnittene Textilien, Papierrollen, Wattestäbchen, Pinsel und Bürsten in verschiedenen Formen, Waschbenzin, Aceton, flüssige Dichtung, Loctite-Klebstoffe, Montagepasten und -fette, Plastiktütchen für Kleinteile und Baugruppen, wasserfester Stift, Gummihandschuhe und so Zeugs.


    Und man sollte VOR dem Arbeiten immer wissen, WAS man WIE als nächstes tut!


    Das sollte als Predigt reichen. Es gehört natürlich noch viel mehr dazu und soll den "Hobbyschraubern" nur als Gedankenreiz dienen, an was man alles denken sollte, wenn es gut werden soll.


    tbc

  • Hallo Theo,


    wenn das so weiter geht sollte ein Verlag
    für die Buchausgabe gesucht werden :) echt toll !!


    kannst Du ein wenig zu Deinen Messwerkzeugen erzählen ?
    womit hast Du z.B. das Pleuelauge vermessen ?


    Gruß
    Frank

  • Hi Frank,
    wenn ich alle literarischen Ergüsse mal bündeln würde, könnte ich locker ein Buch schreiben. Es gibt u.a. einen legendären Reisebericht aus N, hat aber mit SR nix zu tun.


    Zu den Meßwerkzeugen: zu Hause benutze ich neben Stahllineal, Meßschiebern verschiedenster Ausprägung, Fühlerlehren, Winkellineal, Personenwaage, Marktwaage und ähnlich einfachen Meßinstrumenten einen Haufen Meßuhren 0.01mm mit verschiedensten Stativen und Haltern, einige Mikrometerbügel und für das Pleuelauge eine 3-Punkt-Innenmikrometerschraube. Für die Kopfbearbeitung benutze ich besondere Meßzirkel. Darüber hinaus habe ich durch einen glücklichen Zufall noch eine Hartgestein- und eine Läpplatte.


    Den Rest messe ich in der Firma bzw. leihe mir das aus. Wir sind da sehr gut sortiert, da wir aus alten Zeiten eine hervorragend ausgerüstete Sonderwerkstatt für Prototypenbau haben. Häufig messe ich mit Innen- und Außenmikrometer di 8, 12, 14, 20, 25-35 und 87-95mm


    Das alles macht es natürlich leicht, sämtliche Motorkomponenten zu vermessen und über die Zeit statistisch auszuwerten. Es gibt kaum ein Teil in meinem Fundus, was nicht vermessen ist. Das ist für mich wichtig, um für besondere Anforderungen besondere Toleranzen paaren zu können. Bei Standardmotoren setze ich andere Maßstäbe als bei leistungsgesteigerten Motoren an.


    Ich habe beispielsweise mal einen Motor extra aus "Resten" zusammengebaut, bei dem die Teile schon nahe an der oberen Verschleißgrenze waren. Damit bin ich auf Langstreckenurlaube gefahren und das Teil lief 20tkm, bevor ich es wieder zerlegt habe. Das geschah natürlich nur zu Testzwecken und hat möglicherweise wegen der günstigen Fahr- und Pflegebedingungen so lange gehalten. Für einen Crosser würde ich ähnlich handeln.


    Es ist klar, daß das günstige Bedingungen sind, unter denen ich arbeiten kann. Seid versichert, daß alle Fachwissenden hier und in anderen Foren ähnliche oder weit bessere Voraussetzungen haben.


    Noch ein Hinweis in eigener Sache: die nächsten drei Wochen wird mir die Zeit knapp - also bitte etwas Geduld mitbringen.


    tbc

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    Der direkte Weg wäre...

    einfach mit dem Mauszeiger auf den "dolfi" gehen und im dann aufklappenden Fenster ganz rechts auf die Sprechblase (Konversation starten) klicken.



    Gutes Gelingen
  • dolfi

    Hat eine Antwort im Thema Totpunkt verfasst.
    Beitrag
    Klick mal oben rechts neben der Suche (Lupe) auf deinen Avatar.
  • fatagaga

    Hat eine Antwort im Thema Totpunkt verfasst.
    Beitrag
    […]

    Hi Dolfi,
    das Baby steht in Köln-Dünnwald ... wie verschicke ich hier eine PM?

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