Marokko mit der SR500
Tag 26 , 30.10.2021
Die Augen gehen auf, der Handywecker macht seine Arbeit.
Ich bin total erstaunt, ich habe nicht den geringsten Kater, nichts.
Ok, ich habe mich bei der Vodkarunde auch echt zurückgehalten. Das sind die Vorteile des Alters, man weiß sich einzuschätzen.
Die geplante Ankunft in Genua ist 9 Uhr, auf Anfrage an der Schiffsrezeption sagt man mir 10 Uhr.
Kann ich gut mit leben. Genug Zeit bequem den Comer See zu erreichen.
Dann geschieht genau das , was ich befürchtet habe. Wir werden aus den Kabinen getrieben und die Hektik geht los. Der Kahn legt an und öffnet sein Maul am Heck. Alle, wirklich ALLE haben es furchtbar eilig in die Parkdecks zu kommen um als erster von Bord zu fahren.
Scheißegal ob man völlig zugeparkt ist oder nicht. Ich verliere alle anderen aus den Augen auf dem Weg in den Schiffsbauch und das hasse ich dermaßen. Keine Zeit sich vernünftig zu verabschieden.
Nichtmal mehr die zwei Steirer Brüder, die fast bei der SR abgestellt wurden bekomme ich zu Gesicht. Das Gedrängel ist fürchterlich und um an meine SR zu kommen muss ich tatsächlich über zwei Motorhauben klettern, so dicht sind die Fahrzeuge geparkt.
Ob man schon fahren kann oder nicht , die Motoren werden gestartet und kurze Zeit später bekommt man kaum noch Luft. Ich will hier jetzt auch raus und quetsche mich mit den Alukoffern an LKW´s und blödsinnig hupenden Autos vorbei. Nicht immer ungestreift aber das ist mir egal, man kann kaum noch atmen.
Ich bin raus und habe wieder europäischen Boden unter den Reifen, die Zollabfertigung geht schnell. Man wird nach vorne gewunken aber im Gegensatz zu Marokko fühlt es sich hier nicht nach Bevorzugung an sondern eher nach loswerden. Welcome to Italy.
Nicht einen einzigen anderen Teilnehmer sehe ich mehr, ich scheine gut rausgekommen zu sein.
Kaum habe ich das Hafengebiet verlassen, halte ich nochmal kurz an um die Navigation zu starten.
Und es fängt an zu regnen. So eine Scheisse, hat mir das nicht gefehlt.
Ich fahre durch kleine Vororte, die hübscher und italienischer nicht sein könnten aber eben nicht im Regen, der dazu auch noch eiskalt ist, gefühlt.
Ich drängle und will aus diesem Stopandgo raus, eine kurze Unachtsamkeit, das Auto vor mir steht bereits als ich noch mit gut Speed fahre.
Dafür gibt’s im englischen einen Begriff der es im Kern trifft:
Panicbrake.
Ich rutsche, der Heidenau vorne ergibt sich kampflos und nur die Tatsache , dass ich mit dem Reifen an den Bordstein knalle bewahrt mich vor einem Sturz. Ich kann die Fuhre gerade so mit letzter Not abfangen.
Jetzt habe ich aber die Schnauze voll. Die Laune geht in den Keller und ich steuere die Autostrada an, scheiss auf die Gebühren. Das Auffahrtsystem in Italien ist mir fremd und ich bin nicht sicher ob ich richtig bin. Ich stehe am Strassenrand und winke einem Fiat, der langsam an mir vorbeifahren will. Die Scheibe geht runter.
Direzione Milano ? Frage ich , die Köpfe nicken. Ich bin richtig.
Sekunden später frage ich mich, woher ich jetzt wusste wie ich wonach auf italienisch zu fragen habe. Ich spreche kein italienisch.
Die Autostrada ist natürlich totöde und es regnet mittlerweile in Strömen. Das würde mir nichts ausmachen, wenn es nicht so bitterkalt wäre. Das ist natürlich nix, wenn man aus der Wüste kommt.
Ich muss tanken und stehe schlotternd neben dem Tankwart.
Danach zieht es sich bis Como und ich friere in der nun völlig durchnässten Motorradkluft erbärmlich.
Der Rest ist locker als DejaVu zu bezeichnen. Ich stehe wieder triefend an der Rezeption, ich bekomme wieder das letzte Zimmer (Gottseidank) und ich stelle die SR wieder in die Tiefgarage wie fast einen Monat zuvor.
Es fühlt sich aber scheisse an.
Ich besuche wieder dieselbe Pizzeria wie zuvor und wieder schmeckt es hervorragend.
Zurück im Hotel sehe ich den Fernseher an der Wand, er bleibt aus.
Ich bin noch nicht bereit für europäische Hiobsbotschaften und die Schaufensterdekorationen sind auch nicht meins.