sr-flo : Reifenhalter waren nie ein Thema.
Marokko mit der SR500
Tag 14, 18.10.2021
Frühstück! Tatsächlich endlich mal wieder. Wir lassen es uns schmecken und wenn die Marokkaner etwas echt gut können, dann ist es Kaffe.
Gerhard und Manfred entscheiden mit mir weiter zu fahren. Nach seinem Unfall meidet Gerhard den Offroad wie die Pest, er wird auch aus der Angstspirale nicht mehr rauskommen. Dafür heilt die Wunde an seinem Bein wieder einigermassen zu auch Dank einer Tube Betaisodonasalbe von Josef.
Ab hier hat das Land nichts mehr zu bieten ausser Staub, totöden Strassen und Hitze.
Vorallem Hitze.
Es ist eine extreme Etappe durch die marokkanische Sahara, anhalten um mal den brennenden Hintern , auf dem man nach Stunden nicht mehr weiss, wie man sitzen soll, zu entspannen ist völlig unmöglich. Man erträgt es nicht. Die Reifen bleiben auf dem fast flüssigen Asphalt kleben. Ununterbrochen zuzelt man am Mundstück der Trinkblase aber selbst das kühle Wasser, dass ich am Morgen eingefüllt habe ist trotz Isolierschicht schon am Vormittag nur noch pisswarm und ausserdem auch recht schnell leer.
Keine Menschen, keine Kreisverkehre, keine Vegetation, keine Dromedare. Nichts. Nur diese verflucht heisse Piste, die nicht enden will.
Wir passieren Assa und Tata, die einzigen Siedlungen an der Strasse auf dem Weg nach Tissint.
Und ich mache einen bösen Fehler, der sich später hart auf meinen Gemütszustand auswirken wird.
Zu allem übel schmerzt mir dann auch noch die linke Hand vom Kuppeln. Der nagelneue Kupplungszug, den ich verbaut hatte ist mir schon in Rabat vor vielen Tagen mitten in der Rushhour gerissen. Am Strassenrand wurde dann der alte, eh schon schwergängige eingebaut, der ich „für den Notfall“ mitgenommen habe. Mittlerweile ist er nicht mehr schwergängig. Er ist nicht mehr bedienbar. Fahren ist fast nicht mehr möglich. Anhalten aber eben auch nicht. Meine Trinkblase ist leer und die Vorstellung bei mittlerweile 45 Grad im Schatten (den es nicht gibt- running Gag) anzuhalten und etwas zu unternehmen ist nicht umsetzbar.
Von dem Teerstreifen , der sich Strasse nennt zeigt die NaviApp nach rechts ins nichts. Ich halte an aber es muss wohl stimmen, ein Schild weist auf einen Campingplatz hin. Wir biegen ab ins nichts und ich finde mich auf einer wenige Kilometer dauernden Offroadetappe wieder, die mir fast unfahrbar erscheint. Immer wieder muss ich anhalten, ich habe keine Kraft mehr den Lenker zu halten, geschweige denn die Kupplung zu ziehen. Das letzte Stück erscheint mir fast nicht machbar. Extrem langsam und eigentlich nur noch im ersten Gang komme ich an einem Camp an ,das spartanischer nicht sein könnte. Ich steige ab und setze mich auf eine Mauer. Runter mit den Klamotten, sofort. Etwas Schatten.
Mental und körperlich völlig am Ende sitze ich auf dieser Mauer und starre auf den Boden.
Ein großer, schlanker Berber kommt zu uns uns spricht uns auf recht gutem Deutsch an, er heisst Said und heisst uns willkommen, ich höre in kaum sprechen.
Nach ein paar Momenten sammle ich mich und frage nach einer Flasche Wasser.
„ Es tut mir leid aber wir haben kein Trinkwasser“ ist seine Antwort. Ich schaue auf meinen Vorrat und stelle fest, dass ich nur noch etwa einen halben Liter abgestandenes Wasser übrig habe.
Ich sacke innerlich in mir zusammen , in meinem Kopf herrscht die absolute Leere, der Mund ist völlig ausgetrocknet. Ich habe schrecklichen Durst.
Klares denken ist mir in dieser Situation nicht mehr möglich.
Manfred und Gerhard drängen mich weiterzufahren und Wasser und einen Schlafplatz zu suchen.
Ich kann nicht, ich bin völlig erledigt. Mein Fehler war , nicht auf meine Wasservorräte zu achten.
Sie lassen mich hier auf meinenWunsch zurück und fahren weiter, sie haben auch nichts mehr, was sie teilen könnten.
Langsam neigt sich der Tag und es wird etwas erträglicher. Meinen halben Liter warmes Wasser habe ich schon längst getrunken.
Ich kühle endlich etwas runter und das Gehirn fängt ganz langsam wieder an zu funktionieren. Was trinken Said und seine Familie eigentlich? Sie zeigen mir einen Wasserhahn aus dem eine braune Brühe kommt, es wird gefiltert und abgekocht. Auf einem Hügel steht ein 1000 Liter Behälter, den er zu normalen Zeiten von einem Wassertruck auffüllen lässt. Das geht nicht mehr, dank Corona sind er und seine Familie völlig Pleite.
Ich solle mir keine Sorgen machen, sagt er. Wir Menschen sind alle gleich, eine Nase , zwei Augen, Arme und Beine und rotes Blut und somit gehöre ich auf seinem Grund und Boden zur Familie, fährt er fort und schenkt mir reichlich Minztee ein. Mir kann hier nichts passieren sagt er.
Diese Worte reissen mich nieder, es kommen mir die Tränen. Ein Schwager von Said nimmt mich in den Arm.
Nachdem sich bei Ihm 19 Leute angemeldet haben aber nur ganz wenige eintrudeln überlegen wir, wie es weitergehen kann. Ich gebe Said Geld und er tuckert mit seinem dreirädrigen Gefährt los um einzukaufen. Etwa anderthalb Stunden später kommt er wieder.
Nach und nach trudeln Autoteams ein, schlussendlich sind wir nur sechs Gäste. Gery vom Team Drietschler Frosch ( Polo Variant) drückt mir ein kaltes Bier in die Hand.
Eigens für die angekündigte Gruppe ist eine einheimische Musikgruppe ins Lager gekommen. Es gibt Dinner mit Kamelfleisch und Pflaumen , dazu Wasser! Die Welt ist wieder in Ordnung.
Die Musiker jammen was das Zeug hält, bis der Strom vom Generator ausfällt. Dunkelheit.
Kerzen werden angezündet und die Musikcombo macht einfach Acapella weiter, das die Wüste wackelt. Musik aus purer Lebensfreude.
Ich lege mich in einem offenen Zelt mit der Luftmatratze und dem Schlafsack irgendwohin. Eins der Sitzkissen dient mir als Kopfunterlage.
War da nicht was mit Schlangen und Skorpionen? Saids Schwager legt sich zu mir in die Nähe und wünscht eine Gute Nacht. Dann ist das wohl safe.
Ich schlafe ein nach einem Tag , der meine denkweise über Menschen im allgemeinen und unseren Wohlstand extrem verändert hat