Hallo liebe SR-Gemeinde,
Der ein oder andere hat vielleicht schon mitbekommen, dass ich auf Grund meiner Arbeit Zugang zur Motorprozesssimulations-Software GT-Power habe. Ich habe daher in letzter Zeit ein Simulationsmodell des SR-Motors aufgebaut (siehe Anhang). Ziel meiner Simulationen war es für mich, für mein aktuelles Projekt eine Motorkonfiguration zu finden, welche einen guten Kompromiss aus Kosten, Leistung und Lautstärke (TÜV) darstellt.
Bei der Simulation handelt es sich um eine eindimensionale Berechnung, welche vor allem gasdynamische Effekte berücksichtigt und die daraus resultierende Zylinderfüllung als Basis für den Verbrennungsvorgang und die daraus abgegebene Leistung nimmt.
Das Simulationsmodell bietet eine Unmenge an Paramtern zur Eingabe, von denen ich die wichtigsten hier nennen möchte:
Ansaugtrichter:
- Durchmesser / Länge / Durchflusskoeffizient
- Aktuell habe ich einen Durchflusskoeffizienten von 0.06 angenommen. Flowbench-Messungen eines offenen Luftfilters bzw. des originalen Luftfilterkastens fehlen mir leider.
Vergaser:
- Durchmesser / Länge / Benzin-Luftverhältnis
- Aktuell habe ich ein Benzin-Luftverhältnis von 13.6 angenommen.
Ansaugstutzen:
- Durchmesser / Länge
Einlasskanal / Einlassventil / Auslassventil / Auslasskanal:
- Durchmesser Anfang und Ende / Länge / Ventildurchmesser / Ventilspiel / Steuerzeiten / Ventilhubkurven / Flowbench-Messwerte
- Ich habe Flowbench-Messwerte von originalen und bearbeiteten Kanälen mit 47mm und 49mm Einlassventil, außerdem diverse Ventilerhebungskurven
(Original, White Bros 2, Megacycle 251-62, Megacycle 251-80, Megacycle 251-30, Megacycle 251-40, Hiha Standard, Kedo "füllige Leistungsabgabe", Kedo
"Top-Leistung", Kedo "RaceTrack", Kedo "BigBore")
Zylinder / Brennraum / Kurbeltrieb:
- Bohrung / Hub / Pleuellänge / Verdichtung / Verbrennungsmodell
- Als Verbrennungsmodell verwende ich momentan ein sehr einfaches, bei dem Verbrennungsschwerpunkt und Brenndauer vorgegeben werden. Es verfügt auch über kein Klopfmodell. Ein komplexeres Verbrennungsmodell mit 3D-Brennraum, Zündkurven und Klopfmodell mach nur Sinn, wenn man sehr aufwendige Messungen mit Zylinderdruckindizierung zum Abgleich durchführt.
Krümmer:
- Durchmesser / Länge
- Aktuell habe ich die üblichen Krümmer zum Vergleich (Durchmesser 27mm, Durchmesser 41mm, Drehmomentdüse)
Endtopf:
- Komplexe Abbildung des Endtopfs inkl. Siebrohren und Dämmwolle
- Aktuell habe ich die Kedo Dragpipe mit und ohne DB-Eater als Modell. Demnächst baue ich den Serientopf von meiner Maschine ab. Je nach Zustand
(Korrosion) werde ich das Ding zersägen und auch davon ein Modell erstellen.
Die Software biete so viele Ausgabewerte zur Analyse, dass es hier müsig wäre, diese alle aufzuzählen.
Erste Erkenntnisse aus der Simulation:
Der Endtopf hat einen riesigen Einfluss auf die Leistung! Jede Tuningmaßnahme sollte diesen berücksichtigen, da er schnell zum Flaschenhals wird, und man dann eher auf Drehmoment als auf maximale Nennleistung optimieren sollte. Die Dragpipe hat sich ein wenig als Leistungsbremse herausgestellt (max. 28PS mit Serienkonfiguration). Ohne DB-Eater sind jedoch auch 50PS mit Tuning möglich. Mit leicht modifiziertem DB-Eater sind getunte Motoren bis 40PS darstellbar.
Mehr Hub ist mist, mehr Bohrung ist super! Mehr Hub sorgt für mehr Drehmoment im Keller, jedoch steigt auch die Belastung des Motors (höhere Kolbengeschwindigkeiten etc.). Mehr Bohrung hingegen bringt ebenso mehr Drehmoment im Keller, ohne die Kolbengeschwindigkeit zu erhöhen. Sowohl mit orginal Bohrung als auch mit großer Bohrung ist mit dem Zylinderkopf bei etwa 50PS Schluss. Mit originaler Bohrung wird diese jedoch erst bei sehr hohen Drehzahlen (>8500 U/Min) erreicht, was sich natürlich negativ auf den Verschleiss und die Belastung von Ventil-und Kurbeltrieb auswirkt. Hier ist eine größere Bohrung also schonend für den Motor.
Der Leistungskrümmer bringt nur etwas mit offenem Auspuff. Mit einem ABE-Auspuff sollte man zu Gunsten des Drehmoments beim originalen Krümmer bleiben.
Ich denke für die Spezialisten hier im Forum sind das alles keine großen Überraschungen. Man sollte jedoch bedenken, dass ich für diese Erkentnisse bisher keinen Cent ausgegeben habe (Motor umbauen, Prüfstandsmessung etc.). Natürlich haben die Simulationen ihre Grenzen. Erst mit Messungen lässt sich das Modell wirklich plausibiliseren. Es eignet sich aber auch so schon gut, um den Einfluss diverser Parameter zu analysieren und Konzepte qualitativ zu vergleichen.
Für meine Straßenmaschine habe ich mich vorerst (noch keine Klärung mit TÜV) auf die folgende Konfiguration festgelegt:
Offener Luftfilter, TM40-Vergaser, optimierte Kanäle, 47mm Einlassventil, Nockenwelle Kedo "RaceTrack", 90mm Bohrung, original Krümmer, DragPipe mit modifiziertem DB-Eater.
Das Ergebnis (siehe Anhang) zeigt einen deutlichen Zugewinn an Drehmoment (+19NM) bei ordentlichem Leistungszuwachs (+12PS). Das Entfernen des DB-Eaters würde bei dieser Konfiguration noch einmal mehr Drehmoment im unteren/mittleren Drehzahlbereich bringen, der enge Krümmer ließe jedoch keine weitere Leistungssteigerung zu.
Ich möchte darauf hinweisen, dass die Simulation stationäre Betriebspunkte berechnet. Eine Messung auf einem üblichen Leistungsprüfstand für Motorräder ist jedoch in der Regel instationär, weshalb diese Kurven etwas glatter aussehen (weniger Zeit zur Ausbildung von Schwingungsphänomenen, Massenträgheit des Motors etc.).
Ich möchte an dieser Stelle anbieten, diverse Simulationen für Euch durchzuführen und Konfigurationen zu vergleichen. Alles was ich hierfür brauche, ist eine Auflistung der oben genannten Wunschparameter.
Viele Grüße und einen guten Start ins neue Jahr!
Martin